Urlaub vom Nichts
Mein Leben ist wie ein langer Urlaub vom Nichts. Und wie auch eine Reise in unserer Welt Geld kostet, muß ich mir in meinem Lebensurlaub das Auskommen einkommensmäßig sichern. Ist das erst mal geschafft und habe ich mich mit dem Nichts vor und nach meinem Urlaub abgefunden, dann steht einer jahrzehntelangen Abenteuerreise nichts mehr im Wege. Plötzlich wird ein Spaziergang durch die unmittelbare Umgebung meiner Heimat zu einer großen Entdeckungsreise. Der See ist dann nicht nur ein Gewässer, an dem ich entlang schlendere, ohne einen Blick darauf zu werfen, ein Stück Wasser, an dem ich vorbeihetze, auf dem Weg zur Bank, Apotheke oder Post, sondern ein unergründliches Geheimnis, in das ich eintauchen möchte, wie in den Atlantik an der Bretagne oder in das Mittelmeer in Kreta. Die Berge sind dann mehr als eine gewohnte Kulisse für den alltäglichen Wahnsinn, der mich manchmal in die Untiefen meiner Seele führt. Die Täler werden dann zu einem Blickfang, der Ruhe verspricht, wo sich jeden Tag neue Schattenlinien im Fels auftun und neue Furchen im Talschnitt zu sehen sind. Und dann sind da noch die Menschen, die einem im Urlaub begegnen. Denen begegne ich entspannter, weniger mißtrauisch, lasse sie näher an mich heran und kann ihnen freundlich und friedlich gegenüber treten, denn ich habe nichts zu verlieren und das Nichts zu gewinnen. An diesen Tagen, wo ich mich im Urlaub vom Nichts so gemütlich eingenistet habe, Frühstücke ich ausgiebig, plane die nächsten Stunden, besuche mir bis zu diesem Zeitpunkt noch unbekannte Orte und lerne Menschen kennen, mit denen ich das Wissen teile, daß es nach solch schönen Urlaubstagen nichts geben wird, als die Erinnerung an ein Leben vor dem Nichts.
Raimund - 2. Sep, 11:30