2
Sep
2005

Urlaub vom Nichts

Mein Leben ist wie ein langer Urlaub vom Nichts. Und wie auch eine Reise in unserer Welt Geld kostet, muß ich mir in meinem Lebensurlaub das Auskommen einkommensmäßig sichern. Ist das erst mal geschafft und habe ich mich mit dem Nichts vor und nach meinem Urlaub abgefunden, dann steht einer jahrzehntelangen Abenteuerreise nichts mehr im Wege. Plötzlich wird ein Spaziergang durch die unmittelbare Umgebung meiner Heimat zu einer großen Entdeckungsreise. Der See ist dann nicht nur ein Gewässer, an dem ich entlang schlendere, ohne einen Blick darauf zu werfen, ein Stück Wasser, an dem ich vorbeihetze, auf dem Weg zur Bank, Apotheke oder Post, sondern ein unergründliches Geheimnis, in das ich eintauchen möchte, wie in den Atlantik an der Bretagne oder in das Mittelmeer in Kreta. Die Berge sind dann mehr als eine gewohnte Kulisse für den alltäglichen Wahnsinn, der mich manchmal in die Untiefen meiner Seele führt. Die Täler werden dann zu einem Blickfang, der Ruhe verspricht, wo sich jeden Tag neue Schattenlinien im Fels auftun und neue Furchen im Talschnitt zu sehen sind. Und dann sind da noch die Menschen, die einem im Urlaub begegnen. Denen begegne ich entspannter, weniger mißtrauisch, lasse sie näher an mich heran und kann ihnen freundlich und friedlich gegenüber treten, denn ich habe nichts zu verlieren und das Nichts zu gewinnen. An diesen Tagen, wo ich mich im Urlaub vom Nichts so gemütlich eingenistet habe, Frühstücke ich ausgiebig, plane die nächsten Stunden, besuche mir bis zu diesem Zeitpunkt noch unbekannte Orte und lerne Menschen kennen, mit denen ich das Wissen teile, daß es nach solch schönen Urlaubstagen nichts geben wird, als die Erinnerung an ein Leben vor dem Nichts.

Kreislauf

ersterblick umarmen liebedich kuß schmusen speichelfluß ziehdichaus warzen schmusen saugfester packzu reibung nabelschau vorhautkitzel steifheit langsam ganzlangsam willjetzt komm haut widerstand vaginasuchen reinstecken lippen kontakt letzter blick jetzt eindringen hauch ersterstoß gutja atem tiefer schweiß gleiten muttermund schieben winden drehen rollen kreisenlassen stoßen reiben nichtaufhören hecheln stöhnen geifern augenliderflackern atemnot jetzt laßkommen binsoweit letzterstoß abschuß krampf innehalten atemholen danke liebedich kuß schmusen umarmen lippen kontakt gutenacht traum wärme geißelschlag erholen angriff zielsuche abwehren weiterschwimmen ausweichen aufprall eindringen abwurf verschmelzen furchung einzeller furchung furchung furchung mehrzeller lurch fisch amphibie reptil vogel säuger ohren hände beine zehen fingerkrampfen nase augenrollen peniswachsen herzschlag lungengluckern lippenbewegen knöchel bauch kniedrehen gleiten muttermundstoßen winden drehen enge wehenpumpen enge sog nachaußengleiten kopfdurchzwängen lippenschmatzen blutverschmiert licht atemholen ersterblick umarmen liebedich kuß schmusen

See

Der See
als Zeichen
eines Lebens
das nichts als Menschsein sehnt.

Das Fremde
als Sinn
einer Ferne
die nichts als Nähe sehnt.

Das Eigene
als Ende
einer Hoffnung
die nichts als Dasein sehnt.

Regen - nichts als Regen.

Ein Anfang.

26
Aug
2005

Miniatur 9

Mein Wasserhahn tropft schon seit Tagen und ich kann mich einfach nicht dazu entschließen, ihn zu reparieren. Vielleicht, weil mich die Gleichmäßigkeit des fallenden Wassers einhüllt, einlullt und aus der Zeit heraussetzt, in der ich mich bewegen muß. Und er erinnert mich an das Kaisergelb des Zinshauses, in dem meine Großmutter gewohnt hatte. Jeden Sommer war ich ein paar Tage bei ihr zu Besuch. Dort gab es kein fließendes Wasser, kein Gas in der Wohnung und das Klo befand sich über den Gang. Sie lebte das Leben des neunzehnten Jahrhunderts.
Die Farbe an der Hofseite des Hauses war längst brüchig geworden und blätterte ab, fiel zu Boden und sammelte sich wie das Laub des Kastanienbaumes im toten Winkel des Hofes, dort wo der Wasserhahn unaufhörlich tropfte. Der stete Tropfen hatte an den Steinen, die entlang der Hauswand verlegt waren, dunkelgrünes Moos hervorgebracht. Kreisförmig umlagerte es den Wasserfall.
Ich kann mich noch genau an diesen einen Sommer erinnern, als ich immer wieder in den Hof hinunter ging, um dem fallenden Tropfen zuzusehen. Wie sie unaufhörlich in diesen Kranz aus grünem Moos tropften. Vielleicht war ich so fasziniert davon, weil dieses Grün sich überall im Haus meiner Großmutter wiederspiegelte. Selbst die Fernsehlampe schimmerte grün. Meine Großmutter war wie dieses Moos.
Sie starb, wie sie gelebt hatte: arm. Nicht das sie deshalb unglücklich gewesen wäre. Nein sie war einfach nur schicksalhaft arm. Und diese Armut wird sich in meinem Leben fortsetzen. Auch ich werde den Tod des neunzehnten Jahrhunderts erleiden. Die grünen Ränder an den gerippten Steinen der Hauswand, sind nichts als naturgewordene Armut, die uns als letztes Überbleibsel des neunzehnten Jahrhunderts im einundzwanzigsten Jahrhundert erhalten bleiben wird.

Miniatur 8

Die herbstlichen Schwangerenbäuche kehren am Beginn des Frühlings als Kinderwägen zurück.

23
Aug
2005

Manchmal

Manchmal denke ich,
wie unmöglich mir dieses Denken ist,
daß ich eines Tages tot sein werde
und ein anderer im Bus sitzt,
die Wienzeile entlang fährt
und denkt,
wie unmöglich ihm dieses Denken ist,
daß er eines Tages tot sein wird,
und ein anderer im Bus sitzt,
die Wienzeile entlang fährt
und denkt,
wie unmöglich ihm dieses Denken ist,
daß er eines Tages tot sein wird
und ein anderer im Bus sitzt,
die Wienzeile entlang fährt,
und denkt.
wie unmöglich ihm dieses Denken ist,
daß er eines Tages tot sein wird
und ein anderer im Bus sitzt,
die Wienzeile entlang fährt,
und denkt,
wie unmöglich ihm dieses Denken ist,
daß er eines Tages tot sein wird
und ein anderer im Bus sitzt,
die Wienzeile entlang fährt,
und denkt ...

Miniatur 7

Wir wissen nicht wohin.
Überall, wo wir hintreten, ist schon vor uns jemand gewesen. Wir lernen dazu und treten immer auf der Stelle. Wir suchen Liebe und finden Einsamkeit. Wir wollen die Welt erobern und müssen erkennen, sie ist längst besetzt. Wir arbeiten hart und erhalten dennoch nur das, was uns zugestanden wird. Wir wollen dazugehören und werden ignoriert.
Wir sind nicht gefährlich.
Wir sind verloren, weil wir uns immer nur um uns selbst gekümmert haben, weil wir die Besetzung der Welt als Lebensraum immer den anderen überlassen haben. Wir wollten uns einfach die Hände nicht schmutzig machen. Wir dachten, sie würden uns eines Tages annehmen, wie es sich für Väter, Mütter und ältere Geschwister gehört.
Aber so war es nicht. Wir sind ihnen gleichgültig gewesen. Immer schon. Wir sind auf dieser Welt - oder besser in diese Welt gekommen -, weil Kinder ein Teil des Lebens sind, nicht weil wir gebraucht werden. Ja sicher lieben sie uns, aber können sie uns auch brauchen? Sind wir nützlich? Nein. Denn jetzt, da wir erwachsen geworden sind, sind wir lästige Bittsteller, die jenes Leben einfordern, das sie immer wie selbstverständlich gelebt haben.
Doch für uns ist kein Platz in dieser Welt.
Und ihre Liebe macht unsere Nutzlosigkeit zum unentrinnbaren Schmerz.

20
Aug
2005

Miniatur 6

Gestern sagte ein Freund zu mir:
Weißt du, ich habe mich irgendwie selbst verloren. Irgendwo zwischen den Alltäglichkeiten und Sachzwängen habe ich das, was ich einmal gewesen bin, verloren. Ich glaube, ich muß mich wiederfinden.
Wiederfinden, hallte es in mir nach. Wiederfinden wäre eine gute Sache. Aber was von sich selbst wollte er denn wiederfinden? Die Eizelle, die er einmal gewesen ist. Wollte er zurückkehren in den Zustand einer Samenzelle, um immer mit dem Strom zu schwimmen, damit er am Ende mit seinem Kopf eine Wand durchbohren kann, damit er jenen Akt der Zeugung vollendet, die ihn zu jenem vierzigjährigen Menschen gemacht hat, der sich dann neuerlich die Frage stellte: Ich glaube, ich habe mich selbst verloren.
Da dachte ich mir, daß ich lieber ein anderer bin. Ohne ein Selbst habe ich wenigstens nichts zu verlieren, da habe ich kein Eigenes, kein Eigentum, keinen Besitzanspruch an mich selbst, den ich beschützen müßte, vor der Welt, den anderen. Ohne Selbst kann ich mich frei bewegen, bin ich immer fremd und immer willkommen, da ich immer wieder weggehen werde. Als Fremder bin ich immer nur zu Gast, immer auf Durchreise und ich kann immer zurückkehren. Und irgendwann werde ich vielleicht in all dieser Fremde heimisch werden, weil ich als Teil von allem zum Ganzen gehöre.
Nicht wie in einer Familie, wo wir alle immer dazugehören wollen. Je vehementer wir es versuchen, desto fremder werden wir einander. Bis wir alle in unseren eigenen Wohnungen und Häusern hocken, um uns nur noch zu besonderen Festen zu begegnen und dann erkennen: Wir sind uns fremd geworden. So als hätten wir einen Verlust erlitten. Der Punkt ist doch: ich war immer fremd, von Kindheit an war mir dieses Leben fremd.

19
Aug
2005

Unter uns

Sie leben unter uns,
die nichts sehen,
nichts hören,
nichts riechen,
nichts schmecken,
nichts atmen
als den Schmerz der Welt.

17
Aug
2005

Miniatur 5

Eines Tages einfach aufbrechen, verschwinden, ohne Antwort zu hinterlassen, ohne Rechenschaft abzulegen.
Was mich bisher daran gehindert hat? Vielleicht waren es meine Beziehungen zu Menschen, die mir ein Gefühl der Hoffnung, eines möglichen Glücks, eine Art von Liebe vermittelten. Doch wenn die Hoffnung, das Glück und die Liebe keine Vorstellung von Zukunft mehr zulassen, dann werde ich aufbrechen, von einem Tag zum anderen, von einer Stunde zur nächsten, verschwinden aus dem Gesichts- und Gesprächskreis der Menschen, irgendwo hinreisen, wo es keine Aussicht auf Zukunft gibt, weil ich bei der Ankunft in der Neuen Welt keine Geschichte für die Menschen bereit halten werde. Und niemand würde sich auf mich beziehen können. Und dann würde ich nie wieder seßhaft werden, damit ich dieses lästige Gefühl der Zukunft, die immer diese Möglichkeit von Liebe in sich birgt, nicht mehr mit mir herumschleppen müßte.
Ja, die ersten paar Tage wird mein Verschwinden nicht besonders auffallen. Meine Beantwortermaschine wird Auskunft geben. Sie wird sprechen, daß ich im Moment leider nicht erreichbar sei. Nach wenigen Tagen wird Unruhe ausbrechen, wird sich Sorge breit machen. Die Menschen werden über meinen Verbleib rätseln. Es wird hin- und hertelfoniert werden. Die Menschen werden sich austauschen. Und dann werden sich Schuldgefühle breit machen, für einen kurzen Augenblick werden die Menschen innehalten und sich fragen, was haben wir falsch gemacht. Und dann wird die Schuld sich langsam, unmerklich in Zorn verwandeln und Haß über die Menschen kommen - auf diesen egoistischen Mann, der sie einfach zurückließ, ohne Nachricht, ohne Sicherheit, ohne Gewißheit. Doch nach ein paar Wochen wird mein Weggehen wie eine böse Erinnerung sein und ein paar Monate danach wird der Alltag in ihre Welt zurückkehren, wird die gemeinsame Vergangenheit langsam verblassen. Mein einstiges Leben in ihrer Mitte wird sein ein kleiner Schmerz in ihren Herzen.

16
Aug
2005

Zitat 4

Vor deiner Haut beginnt die Fremde. Du hast nur ein Haus in dir selbst; und alles andere verändert sich.
Hermann Lenz. Die Augen eines Dieners.

Zitat 3

Wir behaupten, daß ein Mann, der einen ehrlichen Versuch unternimmt, im Zusammenhang mit der Frauenunterdrückung sich zu engagieren, nur eines machen kann, wenn er glaubwürdig sein will: über Männer und ihre Art, Frauen zu unterdrücken, ihre Unfähigkeit, außer unter Druck, eine Selbstveränderung zu vollziehen, zu schreiben - aber nicht über Frauenkampf und Feminismus.
Alice Schwarzer. So fing es an.

Zitat 2

Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.
Ingeborg Bachmann. Malina.

Zitat 1

Ein Kind: ein Bewußtsein mehr, ein kleines, betörtes Licht, das im Kreise flöge, sich an den Wänden stöße und nicht mehr entkäme.
Jean Paul Sartre. Zeit der Reife.

Der geographische Mittelpunkt

In Bad Aussee, etwas abseits im Kurpark, im verborgenen liegend, steht der geographische Mittelpunktstein Österreichs. Ja, das Ausseerland ist das Herzstück dieses Landes. Und es scheint beinahe so, als hätte die Geographie der Landschaft auf die Mentalität der Menschen abgefärbt.
Vielleicht denkt so mancher Einheimischer, daß sein Herzschlag im Takt mit den Herzen aller Menschen schlägt, die hier leben oder gerne auf Besuch kommen. Wer im Zentrum lebt, merkt aber oft nicht, daß er selbst ganz Peripherie sein könnte. Und so entgeht ihm oft das Wesentliche im Leben an der Randlage. Im Ausseerland habe ich es vor allem mit Randlagenphänomenen zu tun, die zu Mittelpunktdiskussionen hochgespielt werden, um die eigene Bedeutungslosigkeit zu beschönigen, um sich eine Wichtigkeit zu geben, die uns in der globalen Welt, in der medialen Öffentlichkeit gar nicht zukommt. Es scheint auf den ersten Blick, als stünde im Ausseerland die Zeit still, als wäre die Welt in Bronze gegossen, wie die Statue des Erzherzogs Johann im Kurpark, unmittelbar neben dem Mittelpunktstein.
Doch auf den zweiten Blick kann man eine ungeheure Wanderungsbewegung wahrnehmen. Die einen, die Fremden, heute sagen wir Gäste, strömen ins Land, unaufhaltsam, manche auch ungebeten, tageweise, wochenweise. Und mit ihnen kommen die Saisoniers, die für uns arbeiten, in der Hoffnung, sie mögen fleißig sein und, wenn sie ihre Pflicht erfüllt haben, wieder gehen. Die anderen, die Jungen, die gut Ausgebildeten, mit Lebensalternativen Ausgestatteten, die oft auch Flexibleren und Intelligenteren verlassen unser enges Tal. Nicht, weil sie uns oder unsere Landschaft nicht leiden mögen oder sie gar unglücklich wären. Auch sie haben Sehnsucht nach einem festen Platz in der Gemeinschaft, nach Partnerschaft mit bekannten Gesichtern und nach Kindern, die möglicherweise in Großfamilien aufwachsen. Nein, es ist der einfache Mangel an Lebensperspektiven jenseits touristischer Prostitution und Vermarktung, die sie hinaustreibt, fort aus dem Ausseerland.
Und was tun die, die bleiben?
Wir hören es oft: Was sollen wir schon groß tun? Oder: Ist ja ohnehin egal. Arbeiten halt. Überleben. Das Ausseerland wird den Aderlaß der Jungen überleben. Ja, und wahrscheinlich gar nicht mal so schlecht, solange die Touristen nur strömen in endlosen Kolonnen. Doch der Mittelpunkt der Welt, jenseits der Geographie, wird es dadurch nicht werden. Will es ja auch gar nicht, rufen mir die Kritiker entgegen. Na gut, sie nisten sich ein in ihrer Randlage. Sie haben sich eben abgefunden mit ihrer Kleingläubigkeit, die alles verhindert, was nicht alt bewährt ist, was ihren eigenen Erfahrungen zuwiderläuft. Das Experiment ist nicht die Sache der Ausseer. Sie verlassen sich lieber auf das Morgen als auf das Übermorgen. Das Übermorgen, die Zukunft, das, was unsicher ist, was eindringt und gefährden könnte, das überlassen sie den Zweiheimischen, den anderen, denen, die von ihrer Welt nichts verstehen. Das Übermorgen bietet zu viele Risken, die wollen ja auch getragen werden. Nur halt nicht von den Ausseern.
Doch das Risiko ist es, was den Menschen von jeher weiterentwickelte. Die Freude am Neuen, die Neugierde nach dem Undenkbaren, dem Noch-Nicht-Erfahrenen, dem, was hinter den Bergen, jenseits der sieben Zwerge existiert, das ist es, was den Menschen von jeher vorantrieb.
Nun kann man sagen, wie es der Ausseer so gerne tut: Das ist mir wurscht. Oder man könnte das ganze von einer visionären Seite angehen, denn Visionäre gab es immer schon im Ausseerland. Alle waren sie Getriebene von einer Noch-nicht sichtbaren Welt, von dem, was Noch-nicht existierte. Die einen waren mächtig genug, um nicht verjagt zu werden, die anderen klug genug, um zu gehen, bevor sie verjagt wurden. Und dann gab es noch die, die kamen, weil sie dort, wo sie ihre Visionen lebten, in den städtischen Zentren der Welt, ungeliebt waren. Die Dichter und Denker, die Industriekapitäne, die Politiker. Und das Ausseerland bereitete ihnen einen hoffähigen Empfang.

Die Ausseer selbst blieben immer mit sich selbst allein.
Niemand wurde in ihr Denken und Fühlen eingelassen.


So hielten sie Kontakt zu dem, was sie als ihren Mittelpunkt verstanden, die Geographie der Landschaft, die Kultur der Natur und eine Zukunft ohne Vision.

Von Kulturhügeln & Kulturbergen

Im Salzkammergut und speziell im Ausseerland gibt es zwei Formen der Kulturvermittlung: Die Volkskultur, traditionelle Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens und die Eventkultur im Interesse des touristischen Nutzens, liebevoll gepflegte Kulturhügel. Diese touristische Kulturvermarktung ist aber nichts weiter als ein gut sortierter Kultursupermarkt. Jeder, der es sich leisten kann, kauft, was er braucht.
Im Vergleich zu anderen europäischen Regionen herrscht im Salzkammergut die Vorgartenmentalität. Die Gesellschaft ist geprägt vom kulturellen Eigensinn, von intellektueller Einfalt und sozialer Abwehr gegen alles Fremde, Neue und Avantgardistische. Um blühende Kulturlandschaften zu entwickeln, bedarf es aber einer lebendigen und vitalen, eigenständigen, kritischen Kunstszene, die nicht nur geduldet, sondern gefördert wird. Im Salzkammergut fehlt eine Auseinandersetzung zwischen Tradition und Moderne. Sofern die Moderne existiert, vegetiert sie im Schatten der Tradition dahin. Das Salzkammergut ist, mit einigen Ausnahmen, ein Ort, wo traditionelle Kulturformen ein Monopol auf die Wahrheit erheben. Unbequeme Geister werden verjagt, oder wenn dies nicht möglich ist, zu tode geduldet. Kritische Kulturprojekte werden ökonomische aushungert.
Jeder, der solche Zustände als Kulturberg stilisiert, hat nicht wirklich hingesehen, entlarvt sich selbst als kulturellen Ignoranten oder Chef eines Kultursupermarktes.

15
Aug
2005

Miniatur 5

Sie ist eine grausame Stadt, diese Stadt. Ihre Menschen sind unnachgiebig. Sie lachen, wenn du ihnen entgegentrittst. Ihr getretenes Lachen kommt immer von vorne. Sie wissen nur allzugut, was sie hinterrücks erwartet. Deshalb kehren sie nie einem Menschen den Rücken zu.
Am besten ist, ich stehe immer mit dem Rücken zur Hauswand. Keine Minute lang die Straße aus den Augen verlieren. Aber verloren geht ohnehin nichts und niemand in dieser Stadt. Sie finden mich immer. Und dann vergehen sie sich an mir. Sie lächeln mich an.
Und da kennen sie keine Gnade. Sie halten mich fest. Ohne Verpflichtungen kann ich hier leben. Mit Pflichten darf ich heimisch werden. Und mit gutem Grund muß ich meinen Beschäftigungen nachgehen. Beschäftigt bin ich gut in dieser Stadt. Gut ist es mir hier immer ergangen. In keiner Stadt habe ich mich so aufgehoben gefühlt.
Das Haben fällt mir aber mit jedem Tag schwerer als das Sein. Jeden Tag muß ich mich ein Stück mehr entblößen und preisgeben. Der Preis für das Bleiben ist hoch. Ich muß das Lachen von vorne lernen.
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